Das ätherische Öl
Über die Seele der Pflanze
Nicht umsonst werden ätherische Öle als “Seele der Pflanze” bezeichnet. Sie stellen für die Pflanze eine der wichtigsten sekundären Pflanzenstoffe dar, welche am besten mit einem Immunsystem zu vergleichen sind. Nicht nur sind sie aber für Pflanzen, sondern auch für uns Menschen sehr wertvoll und begehrenswert, da sie auch bei uns viele therapeutische Wirkungen entfalten.
Rein wissenschaftlich betrachtet, sind sie hochkomplexe Mischungen aus Kohlenstoffmolekülen, von denen wir bei vielen nicht einmal wissen, welche Aufgaben sie in der Pflanze erfüllen. Somit erzeugt dies auf vielen Ebenen eine Faszination, die uns schon lange fesselt und uns immer wieder dazu bringt zu stauen.
Ätherische Öle sind aus einer Vielzahl an komplexen Kohlenstoffmolekülen aufgebaut die als Terpene bezeichnet werden. Diese sind wiederum aus Isoprenen (5 zusammenhängende Kohlenstoffatome) aufgebaut. Je nach Anzahl an Isopreneinheiten werden sie in Mono- und Sesqui-, Di- und Polyterpene eingeteilt.
Die Struktur des Terpens wirkt sich jedoch nicht nur auf ihre Bezeichnung sondern auch sehr stark auf ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften aus. Wie aber erkennen wir diese Eigenschaften?
Stellen wir uns dazu ein Basilikumblatt vor. Die Ölvesikel an der Blattoberseite zerplatzen durch geringe Temperatur oder Druckeinwirkung und die flüchtigen Terpene werden in die Luft befördert; Ab dann können wir von Duftmolekülen sprechen.
Diese Duftmoleküle atmen wir ein und erriechen, dass es sich um Basilikum handelt, da wir diese Information mit dem Duftbild in unserem Gehirn schon verknüpft haben. Spannend ist; Wir nehmen aber nicht das volle Spektrum der Zusammensetzung des ätherischen Öls des Basilikums wahr, sondern nur einen Teil davon.
Das hängt damit zusammen, dass nicht alle Bestandteile oder Komponenten eines ätherischen Öls die gleichen Eigenschaften haben. Ätherische Öle sind bei Raumtemperatur flüchtig, was bedeutet, dass sie langsam in die Außenluft verdunsten ohne dabei ihre Siedetemperatur zu erreichen.
Wenn wir an einem Basilikumblatt riechen, riechen wir tatsächlich am ätherischen Öl selbst, jedoch hauptsächlich an den flüchtigsten Komponenten des Öls, den Monoterpenen.
Auf Grund ihrer weniger Komplexen Molekülstruktur (zwei Isporene – 10 Kohlenstoffeinheiten) gelangen sie leichter in die Außenluft als die eher schweren Diterpene (vier Isoprene – 20 Kohlenstoffeinheiten), welche den Harzigen, schwerer flüchtigen Anteil im ätherischen Öl repräsentieren. Somit riechen wir in erster Instanz Monoterpene, welche sich meist als sehr fruchtige, frische Nuancen äußern. Dieser Geruch wird in der Parfümerie auch als “Kopfnote” bezeichnet und ist neben der Herz- und Basisnote ein Bestandteil eines Gesamteindruckes eines Geruchs.
Sesquiterpene sind die schwerer flüchtige Fraktion. Dabei sind diese Noten wesentlich schwerer, halten ihren Duft dafür aber länger und werden oft als “Fixatoren” in der Parfumherstellung bezeichnet.
Ätherische Öle sind abgesehen von ihren bereits erwähnten chemischen und physikalischen Eigenschaften, apolare Verbindungen, schwimmen, wegen ihrer Dichte von 0,8-1,3 g/ml, größtenteils auf Wasser und hinterlassen im Gegensatz zu fetten Speißeölen keine Rückstände auf Papier sondern verdunsten vollständig. Die Ölausbeute kann je nach Pflanze sehr variieren; Zitronenmelisse – 0,01%; Zirbe – 1%; Lavandin – 7%.
Somit Lässt sich beispielsweise aus 100kg Zirbennadeln ein Liter ätherisches Öl herstellen.
Vorwiegend Kräuterpflanzen und Nadelbäume bilden sie als sekundäre Pflanzenstoffe in vielen Pflanzenorganen aus. Ihre Rollen in der Pflanze sind sehr komplex und teilweise unerforscht, jedoch ist bekannt, dass das Duftprofil von Pflanzen, Schädlinge wie Fressfeinde abwehren, oder Nützlinge anlocken kann.
Zusätzlich sind ätherische Öle antimikrobiell, was bedeutet, dass sie toxisch auf Bakterien und Pilze wirken, was der Pflanze als Schutzfunktion zu Gute kommt. Nadelbäume verschließen ihre Wunden auch mit Harzen welche durchschnittlich aus 20% Ätherischem Öl bestehen, um einen Bakterien- oder auch Pilzbefall zu verhindern.
Wie bereits erwähnt, lagern Pflanzen ätherisches Öl in eine Vielzahl von Organen wie Blätter, Blüten, Stengel, Rinde, Holz und Wurzeln ein. Gebildet werden sie im Cytosol und in den Plastiden der Pflanzenzelle. Nach der Synthese werden sie in spezielle Öl-Zellen entweder interzellulär, bepielsweise in Blättern, Nadeln und Holz oder oberflächlich auf den Blättern (In der Epidermis) in sogenanne Vesikel abgeschnürt.
Eine Komposition eines ätherischen Öls besteht aus vielen Einzelkomponenten (Terpenen), wobei eine solche Komposition aus bis zu 100 solcher Mono-, Sesqui- und Diterpene bestehen kann und somit ein sehr komplexes Geruchsbild ergeben kann.
Dieser Duft ist nicht durch Mischen von synthetischen Einzelkomponenten immitierbar (beispielsweise in der Parfumherstellung), weswegen die Natur die beste Parfumistin ist, da sie in der Lage ist einzigartige Kompositionen zu schaffen. Dabei sind sogar die Zusammensetzungen in allen Pflanzenteilen individuell. Pflanzenfamilien die große Mengen ätherischer Öle bilden sind Apiaceae, Asteraceae, Cupressaceae, Lamiaceae, Myrtaceae, Pinaceae, Poaceae u.a..
Aufgrund ihrer antioxidativen Eigenschaften brauchen Pflanzen ätherische Öle um die freien Radikale (ROS) wie OH-Radikale, Superoxide, Hydrogen Peroxid und vielen Weiteren in ihren Zellen zu bekämpfen und einem beschleunigten Alterungsprozess entgegenzuwirken. Diese Eigenschaft der Terpene wirkt sich sogar in der chemischen Zusammensetzung der Atmosphäre aus. Durch ihren flüchtigen Charakter gelangen die Terpene in die Luft und gehen Reaktionen mit freien Radikalen (ROS) in der Atmosphäre ein. Bei einer emmitierten Menge von 250 und 450 Millionen Tonnen Terpene gelangen auf diese Art jährlich in unsere Atmosphäre und tragen auch so zu einer lebensfreundlicheren (aus menschlicher Sicht) Luftqualität bei.
Nicht nur die Atmosphäre nimmt täglich ätherische Öle in sich auf, sondern auch wir Menschen. Wenn wir ätherische Öle riechen, wird nicht nur unser Gehirn dadurch modifiziert, sondern auch unser Körper. Bei oraler Einnahme, Aufhnahme über die Haut oder über die Atmung selbst, werden die Terpenoide im ganzen Körper verteilt. Dabei werden sie in der Leber metabolisiert und über die Nieren schlussendlich eliminiert. Dies ist auch ein Grund warum stillende Mütter nicht alle ätherischen Öle anwenden sollten, da allergene Terpenoide bis in die Muttermilch gelangen und so allergische Reationen beim Säugling auslösen können.
Wie auch für Mikroorganismen und Fressfeinde der Pflanzen können ätherische Öle auch für uns Menschen toxisch sein und bei überdosierter oraler Einnahme auch bis zum Tod durch Verätzung der Speißeröhre führen. Dementsprechend sollten ätherische Öle immer mit Respekt angewendet und nicht auf Selbstversuche hin getestet werden.
Abgesehen von ihren toxischen Eigenschaften können sie in der richtigen Dosierung und Anwendungsform beachtliches leisten. Aromatherapie stützt sich auf die Wirkung ätherischer Öle, diese werden in einem Großteil aller Kosmetikprodukten, sowie in der Lebensmittelindustrie als Aromazusatz benutzt. Hierbei durch Inhalation, Heilbäder und direkter Anwendung bei Erkrankung wie Depression, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Muskelschmerzen, Hautkrankheiten und Gelenksschwellungen.
Wir sind immer wieder begeistert, wie unterschiedlich ätherische Öle im Bezug auf Ausbeute, Farbe oder Viskosität sein können, wie sie riechen, wirken und welche Erinnerungen sie in uns erwecken. Ihre Anwendungsgebiete wachsen, die Wissenschaft widmet sich zunehmend ihrer faszinierenden Eigenschaften und ihrer noch unbekannten Wirkungsweisen auf Fauna und Flora.
Einfach fantastisch!